Ein verregneter Sommer

2017

Es soll ja viele geben, die immer noch auf den Sommer 2017 warten. Wir gehören auch dazu. Diesen Urlaub haben wir uns redlich verdient, wenn er auch ganz anders ablaufen wird als geplant. Seit Mai ist unser großer Sohn an Diabetes erkrankt und ab sofort sind Spritzen, Blutzuckermessung und Kohlenhydratberechnung sein und unserer ständiger Begleiter auf Lebenszeit. (Angemerkt sei: Er ist damit einverstanden dass wir so offen darüber schreiben).  Weil das ganze auch noch so neu uns frisch ist haben wir kurzerhand den Urlaub nach Kroatien gecancelt, und beschließen im Deutschsprachigen Ausland zu bleiben. Sprich maximal nach Österreich soll es gehen. Die Unsicherheit in einem fremden Land, mit entgleistem Kind wiegt mir dann doch zu stark. Und auch diese Geschichte wird eher eine kurze werden.
Wir starten fröhlich am 14. Juli auf die A3. Es ist 18 Uhr und wir wollen fahren bis wir nicht mehr können... dank es stauträchtigen Verkehrs kommen wir erst spät in der Nacht in Wertheim am Hymer Center an, für das wir uns spontan zur Nächtigung entschieden haben. Es liegt in einem Industriegebiet, auf einem Hügel - man könnte meinen hier sei ein Campingplatz. Schon von weitem ist alles mit Wohnwagen und Wohnmobilen vollgepflastert. Manche scheinen hier Urlaub zu machen und bauen in Vollmontur alles auf, oder parken ihr Boot direkt auf dem Platz neben dem Wohnmobil. Nach der x-ten Runde stellen wir uns einfach auf eine angrenzende Wiese... alle sind müde. Wird schon gehen bis morgen.

 

Am nächsten Tag geht das Schauspiel dann weiter... schon früh ziehen einige ab und wir können uns zumindest schnell auf einen passablen Platz stellen. Dummerweise läuft unser Kühlschrank schon wieder nicht richtig auf Gas, und wir brauchen dringend Strom. Dank des langen Kabels ergattern wir einen Anschluss, füttern die Parkuhr und fahren nach dem Frühstück erstmal nach Wertheim in die Stadt.

Wertheim ist ein kleines, altes Städtchen. Wahrscheinlich mehr bekannt, ist das große Outlet "Wertheim Village", dass wir aber nicht besuchen wollen. Das Wetter ist sehr durchwachsen, wir gehen über den Marktplatz, an dem reges Treiben herrscht, und holen in einer Bäckerei örtliche Spezialitäten, die wir von zuhause nicht kennen. Schmecken aber scheußlich. Wir essen dann doch noch Mittag bei einem mittelmäßigen Italiener, und machen uns dann auf den Weg zum Wohnwagen.
Unterwegs fällt unser Blick noch auf "Alles über Kopf", eine Art Ausstellung oder  Museum, oder wie nennt man das sonst, bei dem alles konsequent umgedreht wurde, was zu ganz witzigen Begegnungen führt. Leider ist der Eintritt teuer, und dass ist es uns dann doch nicht wert, also belassen wir es bei dem, was man von außen sieht. Ich erstehe einen Kaffee für unterwegs und benutze noch schnell die Toilette. Sehr witzig, sogar hier hat man konsequenterweise alles auf den Kopf gestellt. Die Toilettenschüssel hängt an der Decke mit einer Lampe versehen - und jemand hat rein geschrieben: "Take a seat. Instant Karma could actually hit you!" :-) Find ich sehr lustig.

Danach ist wieder Stau stehen angesagt... wir verfluchen die Verkehrslage... deswegen fahren wir lieber nachts. Weil es nur so schleppend voran geht, überlegen wir wo wir Rast machen können. Mit der ADAC App erwäge ich verschiedene Möglichkeiten, aber dem Göttergatten gefällt wieder mal nichts. Schließlich gebe ich beleidigt auf und sage dann soll er halt was finden. Wie Ehemänner halt so sind, interessiert ihn das nicht so wirklich... irgendwann beschließt er einfach mal von der Autobahn anzufahren. Wie der Entscheidungsweg läuft kann ich nicht nachvollziehen - ich bemühe mich krampfhaft nichts zu sagen - aber der Schweinehund hat auch noch Riesenglück dabei! Auf einmal stehen wir vor einem See im Nürnberger Seenland - dem Rothsee. Hier sind sogar Wohnwagen ausdrücklich erlaubt, einer steht noch da, und doch umgibt uns eine wohltuende Leere. Klar, das Wetter ist nicht gerade einladend zu baden, sonst wäre hier wohl mehr los, aber für sagenhafte 4 € Parkgebühr am Tag ist der Platz einfach genial.

Man steht sehr nah zum See, nach einem kleinen Fußweg am Ufer entlang, gibt es eine Wirtschaft, Toiletten, Spielplatz und viel Platz zum toben. Es sind kaum Leute da, ideal!  Die Jungs wollen unbedingt schwimmen, und so holen wir die Neoprenanzüge raus - dafür sind sie ja da. 

Duschen gibt es allerdings nicht, aber das ist uns egal. Für eine Nacht können wir drauf verzichten. Unsere Nachbarn jedoch campen hier eine Woche und waschen sich im See. Das finde ich total faszinierend. Camping im ganz ursprünglichen Sinne! Wenn man nicht viel hat, reicht auch das...

Wir essen auf dem Parkplatz, spielen Fußball mit den Kindern, hier sind wir ganz allein. Auch als es dunkel wird, merkt man wie abgeschieden die Gegend hier ist. Schönster Sternenhimmel. Einsamkeit. 
Sind wir als Städter nicht gewöhnt.

Am nächsten Tag steuern wir unser erstes Urlaubsziel an, den Camping Seehof in Kramsach, Tirol, Zillertal. Wir wählen den Weg über den Achenpass, weil die Autobahn über Salzburg schon wieder hoffnungslos gestaut ist, und dies erweist sich auch als Goldrichtig. Der Achenpass ist eine gut ausgebaute Straße, und landschaftlich viel toller als die olle A12. Und so kommen wir vor Mittag schon am Campingplatz an. Wir haben im vorraus noch einen tollen Platz am See ergattern können.

Lage: Wunderbar. Der Campingplatz: in Ordnung.
Direkt nebenan gibt es den mehr bekannten Platz: Seeblick Toni. Den hatte ich auch schon mal auf dem Schirm, aber es war mir in keinster Weise bewusst, dass die Plätze so nebeneinander liegen, dass sie auch einer sein könnten. Wie wir später fahren, handelt es sich um zerstrittene Verwandte.
Wir stehen mit direkter Aussicht auf den See und um zu diesem zu gelangen, muss man nur einen kleinen Abhang runter. Für die Kinder kein Problem, wir gehen lieber außen herum. Aber die Wiese ist groß, es gibt einen Spielplatz, und mit Schwimmweste können wir die Jungs auch unten allein herumtoben lassen. 
Es gibt zwei Sanitärgebäude, unseres ist schon ein bisschen älter, aber noch ok, und einen Kinderclub. Hier findet ein bisschen Animation statt, und es gibt auch Kettcars zum rumfahren, so dass die Jungs sich auch beschäftigen können. Sonst gibt es eigentlich nicht viel. Noch einen Kiosk, der zu völlig überhöhten Preisen Pommes und Bier verkauft, aber der Platz an für sich ist recht übersichtlich. 

Ebenfalls gibt es  noch ein paar Hasen, ein Pony und eine sehr einfallsreiche Ziege, die offenbar heimlich Yoga Übungen macht um an das grüne Gras zu kommen. Sehr zur Freude unseres jüngsten, der sich gar nicht mehr einkriegt vor lauter Freude über den unerwarteten Besuch.

Zu dem Platz gehört auch eine Tourismuskarte, mit der die Nutzung verschiedener Bergbahnen inkludiert ist. Wunderbar für die sparsame Familie. Das Wetter ist hier so, wie die Großwetterlage auch in Europa ist: Sehr wechselhaft. Scheint die Sonne, kann man baden gehen, aber es gibt auch oft Schauer und Gewitter. 

Am nächsten Tag machen wir uns direkt auf, nach Reith im Alpbachtal. Hier gibt es einen Kindermärchenpfad, den wir ein Stück gehen. Das ganze ist aber eher so...naja... es gibt es verschiedene Stationen zu entdecken, aber wir suchen uns doch lieber noch einen anderen Weg. Mit dem Strom wollen wir nicht so gehen ... Allerdings ist schon alles auf breiten, touristischen Wegen angelegt. Da kommt nur so ein mäßiges Naturerlebnis auf... kleine Wanderwege gibt es hier eher nicht.

Der nächste Tag ist ein sonniger, und so bleiben wir am Wohnwagen, um wenigstens einen Hauch Sommer zu spüren. Die Zwillinge sind mittlerweile 7 Jahre und können sich langsam auch allein über den Platz navigieren, und so kommen wir auch mal zum ausspannen. Außerdem treffen wir nette Leute, da machts direkt doppelt Spaß.

Es werden Kässpätzle gemacht...

Und Straßen gemalt...

Und wenn man so herrlich mit Blick auf den See sitzt, war die Wahl des Platzes doch die richtige...

Am Tag drauf wollen wir uns dann mal die Perle Tirols anschauen - Kufstein! Die Jungs bleiben auf dem Platz bei neugewonnen Freunden, und so nehmen wir nur den großen und den kleinsten mit. 

Kufstein selber ist nett, aber total touristisch überladen. Was daran Perle sein soll - keine Ahnung. Für die Touristen fährt die Pferdekutsche durch die Stadt, aber es kommt so schrecklich unauthentisch rüber. Der Große möchte mit uns unbedingt bei dem Burgerladen "Hans im Glück essen". Da es für ihn schwierig ist mit seinem noch recht neuen Diabetes auswärts zu essen, erfüllen wir ihm diesen Wunsch.

Dann geht es aber auch schon zurück, wir machen am Platz noch Blaubeerpfannekuchen  - auch für die anderen Kinder - und schon ist der Tag im Flug vorbei. 

Nun wollen wir aber wirklich mal wandern gehen und fahren nach ins Alpbachtal nach Wildschönau.  Hier führt die Gondel hinauf, und von dort aus entscheiden wir uns für den Panorama Rundweg. Eigentlich dachte wir ursprünglich daran ins Tal zurück zu laufen, aber das Wetter verkündet schon wieder nichts gutes. Wir sind mit vielen anderen Wanderern unterwegs, aber das kann man wahrscheinlich auch nicht erwarten. Es geht ordentlich bergauf und bergab, und gerade als wir wieder am Ausgangspunkt ankommen, fängt es an zu regnen.  Eigentlich gibt es an der Bergstation noch einen schönen Spielplatz mit verschiedenen Ebenen, aber den können wir gar nicht nutzen, weil wir lieber schnell mit der Gondel runter fahren. Außerdem ist es hier oben in der Höhe ganz schnell saukalt wenn die Sonne nicht scheint.

Danach regnet sich wieder ordentlich ein, so dass man immer nur gucken kann wie man partiell die Regen- und Nicht-Regen Zeiten überbrückt. Der kleine füttert die Streichelziege und guckt mit Begeisterung Traktoren. Die übrigens- dank des vorhergesagten Regens- reichlich Gülle auf die Felder bringen, so dass uns immer eine frische Brise Landluft umweht.

Das hier ist das Spielzimmer, das wir an diesen regnerischen Tagen auch mal besuchen. Die Idee könnte eigentlich gut sein, die Umsetzung ist es nicht. Außer einem Bällebecken und den großen Legosteinen gibt es nichts für Kinder. Leider ist das ganze auch extrem dreckig und versifft und lädt nicht gerade zum spielen ein.
Allerdings muss ich auch sagen, dass die anwesenden Kindern auch nicht gerade dazu beitragen. Es ist schon erschreckend wie manche mit fremderleuts Sachen umgehen. Die jungen Kerle, die dort als Animateure und Aufpasser fungieren, interessiert der Zustand allerdings auch nicht wirklich.

Der 21. Juli führt uns dann nach Rattenberg. Ein kleines, aber sehenswertes Städtchen. Auch wenn hier Touristen her kommen, hat man sich seinen Charme bewahren können. Die Glasbläser -Stadt wird es auch genannt, und so kann man viel Kunst an den Hausfassaden bewundern. Es gibt auch eine in einer Höhle untergebrachte Kapelle und eine  - wie so oft im alpenländischen Raum - sehr prunkvolle Kirche. 

Danach regnet es nur noch. Wir bekommen neue, sehr nette Nachbarn und lassen Gewitter über Gewitter über uns ergehen. Das ist kein würdiger Sommer.

In einer Nacht werde ich von Regen und Sturm geweckt. Schnell gehe ich mal draußen gucken, um festzustellen, dass ein regelrechter Orkan aufgezogen ist. Ich denke, "geh mal raus um zu gucken ob alles sicher steht".  Ich versuche in Windeseile alles dingfest zu machen, bin aber völlig machtlos. Es handelt sich nur um Sekunden, bis mir unsere ganze Einrichtung um die Ohren fliegt. Tischsets, Wäsche, Spielsachen. Dem Nachbarn reißt das Vorzelt aus der Verankerung, unser Wigo mit Sturmabspannung hält Gott sei Dank. Ich brülle mit Hinblick auf die Bäume hinter dem Wohnwagen noch "Julian - raaaaaaaaus aus dem Zelt", auf einmal ist der ganze Platz wach... Stöcke fliegen, Gewitter, Gegenstände wirbeln... man kann es sich gar nicht vorstellen. Blitzorkan.
Gerade überlegen wir, ob wir uns mit den Kindern zum Auto bewegen sollen (was nicht auf der Parzelle parkt), und schon ist der Sturm genauso schnell vorbei wie er gekommen ist. 
Allerdings herrscht große Hilfsbereitschaft auf dem Platz. Viele Leute kommen vorbei um zu gucken ob alles ok ist oder ob sie helfen können. Wir suchen nach unserem verstreuten Inventar. Was für eine Aufregung nachts um 3!! 

Am nächsten Tag ist unsere Woche schon zu Ende. wir hatten uns überlegt, zum  Natterer See zu fahren. Das Prospekt sieht hervorragend aus, die Website interessant... Beste Vorraussetzungen.
Wir fahren nur ca. 1,5 Stunden dorthin, in der Nähe von Innsbruck gelegen. Direkt am Brenner, daher sehr viele durchreisende Gäste. Telefonisch hatte man uns versichert dass es mittags IMMER freie Plätze gibt. Als wir um Punkt 12 vor der Schranke stehen, kann man uns lediglich einen Platz auf der Zeltwiese anbieten. Wir nehmen ihn, mangels Alternative, sind aber totunglücklich. Eine ungemähte Wiese, weit ab vom Platz oder den Sanitärgebäuden. Es regnet in einer Tour und die Wiese verwandelt sich in eine Matschhölle. Überhaupt sind wir vom Platz Natterer See total enttäuscht. In meinem ganzen Leben habe ich noch nie so einen großen Unterschied zwischen Prospekt und Realität gesehen. Die Werbeagentur hat wirklich großes geleistet. Der See ist ein kleiner, und künstlich angelegter, der auch nicht besonders einladend aussieht. Auch die angeblich tolle Kinderbetreuung entpuppt sich als kleines Spielzimmer ohne Aufsicht. Was in einem kleinen Spielzimmer bei Regen los ist, brauche ich wohl nicht extra zu erwähnen.  Wir haben doch schon viele Plätze gesehen, aber diesen hier finde ich ungeheuerlich.
Einzig erwähnenswert ist das zentrale, weil einzige, Sanitärgebäude, das wirklich extrem modern und chic geworden ist. 

Als es einmal abends eine kleine Regenpause gibt, beschließen wir kurzerhand mal nach Innsbruck rein zu fahren. Zuerst suchen wir uns über TripAdvisor einen Italiener fernab des touristischen Stroms. Wir haben Hunger auf Pizza! Das Restaurant entpuppt sich als anständig und nicht zu teuer... direkt schade dass in diese Gegend nicht mehr Leute kommen. 
Nun wollen wir aber wenigstens einmal das goldene Dacherl sehen. 
In der Stadt gibt es aus unerklärlichen Gründen wahnsinnig viel Musik! Ob es daran liegt, dass es eine Studentenstadt ist? An jeder Ecke stehen tolle Straßenmusiker, es ist überhaupt noch viel los an diesem nicht zu warmen Sommerabend. Die Stadt selber gefällt uns auch sehr gut. Viele Altbauten, Cafés, Restaurants... wir essen ein tolles Eis bei Tomaseli, einer bekannten Eisdiele und laufen bis zur Dämmerung durch Innsbruck.

Leider regnet es weiterhin wie aus Eimern. Man kann keinen Fuß vor die Tür setzen. Am 3. Tag ist die Laune derart im Keller, dass wir beschließen nach Hause zu fahren. Kurz überlegen wir ob wir nach Italien fahren, fühlen uns aber noch zu unsicher mit Julians Diabetes. Es regnet zwar im Moment überall, die Großwetterlage im Sommer 2017 ist überall schlecht, aber dann sitzen wir lieber zu Hause. Und so enden unsere Ferien unrühmlich nach knapp 2 Wochen, statt nach den geplanten dreien.